Sonntagabend, der 6. Mai, 19:00h. Wir haben Herzklopfen, als wir die Leinen an unserem Liegeplatz ein letztes Mal lösen. Fast ein Jahr lang waren wir hier zu Gast, nun ist es soweit: Zeit, Lignano zu verabschieden! Reto manövriert unsere Segeljacht elegant ins Freie. Die vielen farbigen Flaggen, die wir zur Feier des Tages in den Mast gezogen haben, flattern in der Brise. Majestätisch gleitet Mauna Loa im Licht der untergehenden Sonne aus dem Hafen. Vor ihr die Weite der Adria, und dahinter der Rest der Welt.
Die vergangene Woche war noch einmal arbeitsintensiv: Mätthu, Reto und einige Freunde haben noch einmal Vollgas gegeben, um Mauna Loa für die Weltreise flott zu kriegen. Zwar konnten noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen werden, aber die wichtigsten Dinge sind fertig und dem Ablegen steht nichts im Wege. Fertig in einem anderen Sinne sind auch Mätthu und Reto: Die vielen Reparaturstunden und kurzen Nächte der Reparaturwoche stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Zeit also, das Abenteuer auf See zu beginnen!
Nach einem schönen Wochenende mit einigen Freunden sowie einem Besuch von Mauna Loa’s Voreignern Martina und Dietmar verlassen wir nun am Sonntagabend den sicheren Hafen von Lignano. Mit an Bord sind nebst Chris, Mätthu und Reto auch zwei Freunde: Luki und Isa begleiten uns in dieser ersten Woche unserer Langfahrt. Diese wird uns zunächst entlang der italienischen Küste nach Süden, und dann quer über die Adria nach Montenegro führen.
Wir haben den Hafen noch nicht einmal eine Seemeile hinter uns gelassen, als wir schon das erste Mal gefordert werden: Eine italienische Segeljacht ist im Kanal auf Grund gelaufen und bittet uns um Hilfe. Wenige Minuten später ist die Jacht freigeschleppt und zum Dank bekommen wir eine hübsch aussehende Flasche italienischen Rotwein über die Reling gereicht.
Im freien Wasser angekommen setzen wir die Segel und nehmen Kurs auf Rimini. Grosse Frachter kreuzen unseren Weg durch die Dunkelheit der Adria. Chris und Reto sind im Cockpit gefordert, Mätthu ist mit Verbesserungsarbeiten an der Elektronik beschäftigt und Isa und Luki bereiten ein feines Znacht zu. Danach werden die Wachen eingeteilt – immer zwei sind an Deck, während die anderen sich ausruhen können. Mit gutem Wind in den Segeln und vorbei an vielen Bohrplattformen erreichen wir am späten Montagnachmittag Rimini. Die beste Aussicht auf den berühmten Strand Riminis geniesst eindeutig Luki: Er steigt nämlich in den Mast um den Grund für die defekte Windmessanlage zu finden. Ansonsten wirkt die Ortschaft jetzt, anfangs Mai, noch ziemlich verlassen. Aber immerhin finden wir im lokalen Bootsladen die benötigten Kabel für den neuen Kartenplotter und ein leckerer Cocktail in einer lokalen Bar liegt auch drin.
Unter Gennaker segeln wir am Mittwoch weiter nach Ancona und setzen dort Kurs zu den Isole Tremiti, einer kleinen Inselgruppe etwa auf der Höhe von Rom, ca. 15 Meilen vom Festland entfernt. Fast 40 Stunden nach Verlassen von Rimini fällt am Donnerstag um 3 Uhr in der Früh der Anker vor den Inseln. Unterwegs haben wir viele Meilen unter Gennaker zurückgelegt, und unter Spinnaker bei einem massiven Winddreher das Schiff aus dem Ruder laufen lassen. Natürlich genau dann, als der Frühstückstisch wunderbar gedeckt und der Kaffee eingeschenkt war. Das Geschirr flog wie Geschosse und ein Crewmitglied wurde bis auf die Unterwäsche in Kaffee getränkt. Ausser einer kaputten Tasse und einer leichten Verbrennung an der Hand durch das rasante Auffieren der Spinnaker-Schot passierte aber nichts.
So viele Erlebnisse verlangen nach Entspannung. Der Donnerstag ist daher Ruhetag. Gemächlich tuckern wir um die Inseln, unternehmen Spaziergänge, geniessen feine, italienische Glacé und paddeln mit dem Gummiboot durch Buchten. Chris lässt es sich nicht nehmen, mit dem Neopren ins Wasser zu hüpfen um zu schnorcheln.
Am späten Nachmittag erwartet uns dann ein abenteuerliches Betankungsmanöver. Eigentlich wollen wir nur einige Duzend Liter Diesel nachtanken, um für die Überfahrt nach Montenegro etwas Reserve zu haben. Das gestaltet sich dann aber etwas anders als gewohnt. Zwar verfügen die Inseln über eine Tankstelle für die grosse Fähre, allerdings ist es am Steg für unsere Mauna Loa nicht tief genug. Erst überlegen wir, einige Kanister zu füllen und mit dem Gummiboot aufs Schiff zu bringen. Einige wild gestikulierende und lauthals diskutierende Einheimische schlagen dann aber ein anderes Prozedere vor: Wir vertäuen Mauna Loa etwas weiter aussen an einer Boje und legen eine Landleine zum Steg. An einer weiteren Leine wird dann der Tankstutzen aufs Schiff gezogen und mit Hilfe eines gigantischen Trichters (der Tankstutzen ist für grosse Fähren, aber nicht für kleine Segeljachten ausgelegt) füllen wir den Treibstoff in den Tank. Dabei wird jeder einzelne unserer Schritte von den Einheimischen wild kommentiert.
Nach einem leckeren Znacht in einem Restaurant direkt am Ufer verlassen wir die Inseln und starten am Donnerstagabend unsere Überfahrt nach Montenegro. Unterbrochen wird die Nachtruhe nur durch die italienische Küstenwache, welche uns kurz nach Mitternacht nach unserem Herkunftsort ausfragt, sich auf unser schlechtes Italienisch (oder war es eher das Pyjama?) aber nicht allzu lange einlassen will.
Den ganzen Freitag verbringen wir auf See, 4-5 Windstärken Wind aus Nordwest machen die Überfahrt zu einem schaukelnden Vergnügen. Unterwegs beehrt uns eine grosse Delfinschule bestehend aus etwa 15-20 Tieren während gut einer Stunde mit ihren Sprüngen. Mauna Loa macht ihre Sache gut, uns so kann Mätthu sie am Samstagmorgen um 4 Uhr in der Früh elegant am Zollsteg in Zelenika / Montenegro parkieren.
Samstags geniessen wir die wunderschöne, grosse Bucht von Kotor. Blaues Wasser eingerahmt von hohen Bergen lassen uns wie zu Hause fühlen. Auch die Gäste eines gigantischen Kreuzfahrtschiffes welches uns auf dem Weg nach Kotor überholt, geniessen die Schönheiten der Bucht. Später werden wir im Städtchen von einem Ehepaar darauf angesprochen, ob wir die Crew des Schweizer Segelbootes seien. Sie hatten uns mit dem Fernglas beobachtet, und Mätthu anhand seines Seebären-Bartes wiedererkannt!
Abends parkieren wir Mauna Loa in der Marina von Tivat und geniessen den edlen Tropfen Rotwein, welcher uns der aufgelaufene Segler vor einigen Tagen geschenkt hatte. Die Müdigkeit nach so vielen Nächten unterwegs und über 500 Seemeilen im Kielwasser ist allen deutlich anzusehen. Und doch sind alle sehr zufrieden. Reto’s Fazit der Woche: „Ich glaube, Mauna Loa ist für unser Abenteuer gar nicht so schlecht geeignet.“ – grinst und fällt Sekunden später totmüde ins Bett. Für ihn und unser Schiff steht mit einer neuen Crew übermorgen die Weiterreise nach Albanien und Griechenland an. Mätthu und Chris müssen sich noch bis im Sommer an ihren Arbeitsstellen beweisen, bevor auch sie ihren Wohnsitz auf’s Schiff verlegen werden. Wohin die Segel Mauna Loa wohl bis dahin tragen werden?