Mittlerweie sind wir unterwegs nach Norden. Höchste Zeit also, euch von unseren Erlebnissen in den letzten Wochen auf den Kanarischen Inseln zu erzählen. Als wir die Insel La Palma Anfang April etwas wehmütig verlassen, stehen noch die Inseln Teneriffa, La Gomera und Gran Canaria auf dem Programm. Alles etwas bekanntere und einfacher zugängliche Inseln als diejenigen, die wir bisher kennen gelernt haben. Und doch hat jede ihren besonderen Reiz.
Früh morgens setzen wir Segel vor dem Hafen von Santa Cruz de la Palma. Ziel ist Teneriffa. Der Himmel ist schwarz und ein Gewitter nach dem anderen zieht über uns her. Meist sind sie nur von wenigen Minuten Dauer, bringen aber Wellen und Wind im Überfluss. Im Gegenzug werden wir mit traumhaften Lichtspielen und Regenbogen entschädigt. Nachdem wir uns einige Meilen vom Ufer entfernt haben beruhigt sich das Wetter und wir segeln rassig nach Teneriffa. Schon von weitem sehen wir den majestätischen Vulkan Teide. Der höchste Berg der Insel (und ganz Spaniens) ist frisch beschneit und zeigt neckisch seine Spitze über den Wolken.
Die Kanaren lernen wir primär als Starkwind-Revier kennen. Selten können wir eine Überfahrt machen ohne zu reffen, also die Segel zu verkleinern um nicht umgeblasen zu werden. 20 kt Wind (5 Beaufort) werden plötzlich zur Normalität, auch mit 7 Beaufort müssen wir umgehen lernen. Nur einmal herrscht während eines Tagesschlags ausschliesslich Flaute. Kein Problem: Chris bringt Teig ins Cockpit und wir beginnen „Gritibänze“ zu formen mit allerlei (primär maritimen) Motiven.
In Santa Cruz de Tenerife laden wir unsere Freundin Olivia auf. Matthias und sie wollen klettern gehen. Deshalb ankern wir Mauna Loa gut geschützt vor dem Strand von Montaña Roja im Süden Teneriffas. Während Matthias und Olivia die anspruchsvollen Klettergebiete der Region erkunden und sich kräftigen Muskelkater holen, gehen Chris und ich wandern. In der Nähe von Güimar gibt es einen Weg entlang eines alten Bewässerungskanals. Er trägt den Namen Mil Ventanas (Tausend Fenster). Schon am Anfang des Weges wird mit einem grossen Schild darauf hingewiesen, dass der Weg gefährlich und unbegehbar sei. Der alte Kanal schlängelt sich durchs dichte Gebüsch und entlang steiler Abhänge und offenbart eine grandiose Aussicht. Ab und zu haben Erdrutsche und Steinschläge den Weg zerstört, insgesamt ist er für trittsichere und alpinerprobte Schweizer aber ohne Problem zu bewältigen. Das Highlight der Wanderung sind die Tunnels. Für den Kanal wurden damals 8 Tunnels, manche nur wenige Meter lang, andere bis zu einem Kilometer Länge, in den Fels gehauen. Die meisten laufen entlang der Felswand und Tausende Fenster erlauben den Blick in die Tiefe und Richtung Meer. Am Ende des Wegs angekommen sind wir überwältigt von der Schönheit der Natur und schon gut müde. Aber jetzt heisst es noch zurück zum Auto zu marschieren! Fast 700 Höhenmeter und einige Kilometer warten noch auf uns. Endlich beim Auto angekommen können wir kaum noch gehen. Aber die Strapazen haben sich eindeutig gelohnt.
Semana Santa, die Osterwoche, gilt in ganz Spanien als besonders heilig. Da viele Festlandspanier Ferien haben, ist viel los auf den Strassen Teneriffas. In San Cristóbal de La Laguna gleich neben der Hauptstadt finden Karfreitag-Prozessionen statt. Das will ich mir nicht entgehen lassen und überzeuge die anderen mitzukommen. Die Procesion del Silencio (Umzug der Stille) beginnt nach dem Eindunkeln. Überall werden die Strassenlaternen gelöscht und auch alle Geschäfte und Restaurants machen das Licht aus. Im Sushi-Restaurant uns gegenüber werden den Gästen Kerzen auf den Tisch gestellt und die Rollläden gesenkt. Tausende Neugierige warten entlang der Strasse auf den Umzug. In langen Roben mit spitzen Kapuzen welche nur die Augen frei lassen kommt eine Gruppe nach der anderen die Strasse entlang. Niemand sagt was, keine Musik, kein Licht. Nur die Fackeln und Laternen der Prozession sowie der Vollmond beleuchten die Szene. Einige Gruppen schlagen mit einem Stock den Marschtakt oder stampfen auf um synchron zu gehen. Ein spezielles Erlebnis.
Am Ostersonntag kommen Sämi und Sina mit Tocher Mia an Bord. Sie werden uns zwei Wochen begleiten. Schon am ersten Tag müssen sie kräftig mithelfen: Es geht ums Ostereier färben. Zwiebelschalen und eine, zugegebenermassen etwas dürftige, Auswahl an Blumen und Kräutern stehen zur Verfügung. Der eher karge Süden Teneriffas bietet halt nur ein begrenztes Angebot an Pflanzen. Gar nicht so einfach, die Färberei. Das Ergebnis kann sich dennoch sehen lassen.
Am Tage darauf fahren wir nach La Gomera. Sehr viel Wind und eine fiese Welle machen die Überfahrt anstrengend. Die Wetterlage lässt es jedoch zu, dass wir im Lee der Insel ein paar Tage ankern. Das Meer ist flach wie wir es in den Kanaren noch nie erlebt haben. Wir baden, schnorcheln, essen fürstlich und geniessen die Sonne und Ruhe. Mit dem Mietauto erkunden wir den Nebelwald und besuchen einige Dörfer. Der Kanal zwischen den Inseln La Gomera und Teneriffa ist bekannt für seine Wal- und Delfin-Populationen, jedoch haben wir auf der Hinfahrt nichts Derartiges gesichtet, dafür waren die Bedingungen einfach zu rau. Auf dem Rückweg haben wir mehr Glück. Schon nach kurzer Zeit sehen wir einen Walblas in der Ferne. Kurz darauf werden wir längere Zeit von ein paar Grindwalen begleitet. Auch die Delfine lassen sich sehen! So viele Meeressäuger an einem Tag, wir können es kaum glauben!
Unser Anker fällt unweit von Los Christianos an der Südspitze Teneriffas. Die Touristenhochburg selber interessiert uns nicht wirklich, wir möchten die Schildkröten sehen. Uns wurde berichtet, dass sich neben der Fischzucht gerne welche aufhalten. Deshalb steigen Christina, Mia und ich am nächsten Tag mit Tauchausrüstung ins Wasser und machen uns auf die Suche. Wir werden fündig! Zwar zeigt sich die Schildkröte nur kurz, dafür sehen wir einen grossen Octopus, Adlerrochen, Flunder, Flötenfische, Brassen, Meerpfaue und unzählige andere Tiere.
Am nächsten Tag überqueren wir den Kanal nach Gran Canaria. Mit 7 Knoten rasen wir übers Meer. Mia steht am Steuer und hat sichtlich Spass daran. Sie hat den Bogen schnell raus und fährt die Jacht wie ein Profi. Mitten auf dem Ozean sitzen Schwärme von Sepia-Sturmtauchern. Nur wiederwillig gehen sie aus dem Weg.
In einer Ankerbucht nehmen wir das Kitebrett aus dem Gepäck. Wind zum Kiten gibt es keinen; aber ist es möglich mit dem Dinghi und dem Kitebrett Wasserski zu fahren? Wir versuchen alles Mögliche, aber die Antwort bleibt immer gleich: Nein. Der Motor unseres Beibootes hat zu wenig Kraft. Als wir uns am Abend von der Bucht in den nächstgelegenen Hafen verschieben, versuchen wir es als Zugfahrzeug mit Mauna Loa. Langsam setzt der starke Motor unsere 27 Tonnen schwere Mauna in Fahrt. Beim zweiten Anlauf klappt es dann: Ich stehe! Die ganze Gruppe johlt. Was zu beweisen war: Wasserski fahren mit der Segejacht - es geht. Gerade anfängerfreundlich ist es jedoch nicht.
Wir haben nun noch drei Tage Zeit, bevor unsere Bündner Familie wieder abreist. Damit Sämi auch nochmal zum Tauchen kommt, hat Christina einen Tauchplatz vor den Sanddünen von Las Palomas ausfindig gemacht.
Dieses kleine Dünengebiet sieht aus wie ein Stück Sahara, jedenfalls wenn man sich die Tausenden (oft nackten) Touristen wegdenkt. Auch im Meer besteht der Grund aus Sand und ist bis meilenweit vor der Küste nur wenige Meter tief. Kein guter Ort zum Tauchen, könnte man denken. Es gibt jedoch einige Stellen, die felsig sind. Mitten auf dem Meer hat Chris einen Punkt in der Karte markiert, einem Gerücht zu Folge soll es hier mitten in dieser Sandwüste ein Lavariff geben. Dort halten wir kurz an damit Mia und Chris mit Flossen und Tauchermaske ins Wasser steigen können. Nach ein paar Minuten holen wir sie wieder an Bord. „Vielleicht haben wir was gesehen!“, sind sich die beiden einig. Am nächsten Morgen fahren wir zurück zum gleichen Punkt, setzen vorsichtig den Anker über dem Sandboden und unsere Tauchbuddys Sämi und Chris tauchen ab. Eine dreiviertel Stunde später kommen sie begeistert zurück: „Wir haben es gefunden!“ Mitten auf dem sonst ziemlich tot erscheinenden Sandboden gibt es eine kleine Lavaformation voller Leben: Fische, Pflanzen, Schnecken und und und.
Nun stehen noch zwei Tage intensives Segeln auf dem Programm. Wir kämpfen uns gegen den Wind in den Norden nach Las Palmas de Gran Canaria. Hier verlassen uns unsere Gäste. Das Schiff wird geputzt, Tauchkompressor und Generator erhalten von uns einen Service und Mauna Loa wird mit Einkäufen vollgestopft. Wie es von dort aus weiter geht, berichten wir im nächsten Blog. Oder wer nicht warten mag, kann sich schon mal die Reiseroute anschauen ;-)