Gestern Morgen war noch alles normal. Heute jedoch ist die erste Nacht auf dem Boot, in welcher es leider nie schaukeln wird. Seit einigen Stunden stehen wir mit dem Kiel auf zwei Holzblöcken in der Werft von Palma. Wie es dazu kam, dass wir aktuell inmitten von Superjachten aufgebockt sind ist eine längere Geschichte. Eine die zum Brand und Wasserschaden noch dazugekommen ist. Einige von euch haben vielleicht Anfang Oktober von den verheerenden Unwettern mit mehreren Opfern auf Mallorca gehört. Leider ist auch Mauna Loa nicht ganz unbeschadet davon gekommen.
Nachdem uns Isabelle und Silvan Mitte Oktober verlassen haben bleiben wir noch einige Nächte vor Anker, da der Hafen in Palma erst zwei Tage später einen freien Platz für uns hat. Nach mehreren Tagen Traumwetter bauen sich während der zweiten Nacht am Ankerplatz wegen heftigen Unwettern relativ grosse Wellen auf, in welchen das Boot ausgeprägt stampft. Da sich bei Tagesanbruch am Horizont das Herannahen einer weiteren Gewitterfront abzeichnet, entscheiden wir uns den Anker zu lichten und Richtung Hafen zu fahren. Matthias steht vorne auf dem Bug an der Ankerwinsch und ich am Steuer. Sobald sich die Ankerkette streckt, lässt sich der Anker normalerweise mit wenig Kraft aus dem Boden ausbrechen. Diesmal ist er jedoch ausgesprochen gut in den Untergrund eingegraben. Als sich die Ankerkette streckt, schlägt das Boot in einer der Wellen unverhofft quer. Mit einem starken Ruck reisst das Boot an der Ankerkette. Diese springt aus der Führung und überträgt die ganze Kraft auf den Ankerbeschlag. Die Kette hat so viel Kraft, dass sie nicht nur den Ankerbeschlag verbiegt (ca. 8mm Stahl) sondern auch gleich die ersten beiden Reelingsstützen abräumt! Als der Anker endlich oben ist kommt Matthias ganz schön weiss im Gesicht nach Hinten. Zum Glück stand er genügend weit entfernt.
Unterwegs in den Hafen hören wir via Funk die Küstenwache eine Rettungsmission planen und erkennen später auch weshalb: Unmittelbar vor Palma liegt ein knapp 50 Meter langer Zweimaster auf der Hafenmole. Wir geben mit dem völlig schief nach unten hängenden Anker, dem zur Unkenntlichkeit verbogenen Bugkorb und der zerrissenen Reeling bereits ein trauriges Bild ab. Aber ganz offensichtlich hat es andere noch übler erwischt.
Im Hafen angekommen lassen wir Ivan, Chef von ProMetal, ein Bild unseres Problems zukommen. Er schreibt schnell zurück: "Habt ihr eine Versicherung? Falls ja, kontaktiert sie!". Uns schwant Böses. Offenbar lässt sich das Problem nicht mit Zurückbiegen beheben. Also setzten wir uns wieder mit Bern in Verbindung. Etwas peinlich ist es uns schon, gleich zwei Schäden in so kurzer Zeit anzumelden. Und gleichzeitig wird uns langsam klar, dass wir eine ganze Weile in Palma festhängen werden.
Zwei Tage später haben sich die Wellen gelegt. Christina und Matthias beladen unser Beiboot mit einem Reservekanister Benzin, Funkgerät und Proviant. Mit Ölzeug und Rettungsweste ausgerüstet gehen sie den Heckanker suchen, welchen wir während der Zeit vor Anker ausgebracht hatten. An dem verhängnisvollen Morgen konnten wir ihn jedoch nicht wieder einholen, zu gefährlich waren die Wellen. Also liessen wir ihn an Ort und Stelle zurück. Nach einer halben Stunde holpriger Fahrt erreichen sie die Stelle und finden zügig die Boje mit welcher wir den Anker markiert haben. Was für eine Freude! Nach all dem Pech der vergangenen Wochen gibt es zumindest diesmal etwas zu feiern.
Während die Profis Kostenvoranschläge für die verbrannte Elektronik und den ramponierten Bug zusammenstellen nutzen wir die Zeit um angestaute Wartungsarbeiten zu erledigen. Die vom Wassereinbruch noch salzhaltige Bilge putzen, schleifen und neu streichen. Die Hydraulik komplett überholen lassen, den abgebrochenen Baumniederholer reparieren, den neuen Generator einbauen, Matratzen entsalzen und tausend Dinge mehr…
OK, auf den Punt "Matratzen entsalzen" müssen wir genauer eingehen:
Obwohl die Matratzen in Mao zum Trocken an die Sonne gelegt wurden, hielt das noch verbliebende Salz sie immer etwas feucht. Deshalb nimmt sich Christina einen Tag Zeit und wischt alle gründlich. Mit viel Seife, Wasser und Muskelkraft sowie dem Hochdruckreiniger werden sie bearbeitet. Für die nächsten vier Tage ist strahlender Sonnenschein angesagt, da sollten sie ja längstens trocken... So dachten wir. Von wegen. Jeden Morgen werden sie an die Sonne gelegt und abends wieder ins Trockene gebracht. Wir übernachten deshalb im Hostel. Nach diesen 4 Sonnentagen beginnt es zu regnen und hört eine Woche lang nicht mehr auf. Vom Nachbarn dürfen wir einen Entfeuchter leihen, welcher Tag und Nacht läuft. Erst nach einer weiteren Woche sind die Matratzen genügend trocken, dass wir wieder darauf schlafen können. Aber von wirklich trocken sind wir noch weit entfernt. Also spielen wir diesen "Matratzentanz" weiter. Täglich werden sie je nach Wetterbedingungen an die Sonne gebracht oder mit dem Entfeuchter ins Zimmer gesperrt.
Die vielen Reparaturen und Arbeiten sowie das permanent miserable Wetter sind anstrengend und zerren an den Nerven. Obwohl wir regelmässig einen Tag frei nehmen, kommt es immer wieder vor, dass einzelne überfordert und ausgelaugt in schlechte Stimmung verfallen. Zum Glück versuchen die jeweils anderen die Moral hoch zu halten. Nicht immer gelingt dies.
An den wenigen freien Tagen besuchen wir die Sehenswürdigkeiten der Insel. Obwohl die Touristen grösstenteils weg sind, ist immer noch viel los. Beispielsweise besuchen wir an einem Wochenende in Inca (einer kleinen Stadt im Zentrum der Insel) einen Mittelaltermarkt. Viele Stände bieten Esswaren und Handwerk an. Wir schlendern durch die Gassen, beobachten das Treiben und kaufen hier und da was zu Essen. Zurück auf dem Boot backen wir die frischen Maronis welche wir ergattern konnten. Bei anderen Ausflügen gehen wir Wandern, besuchen atemberaubende Tropfsteinhöhlen oder gehen bei schlechtem Wetter auch mal ins Spa. Tags darauf geht die Arbeit dann jeweils mit doppelter Geschwindigkeit weiter. Wir fühlen uns schon richtig zu Hause auf der Insel. Als wir vor kurzem in einem Restaurant vom Kellner gefragt wurden, was wir hier machen, antworte ich mit einer Selbstverständlichkeit die mich selber überrascht hat: "Wir arbeiten temporär hier."
Wir hoffen, dass dieses „temporär“ bald ein Ende hat und wir ein Licht am Ende dieses Reparaturtunnels sehen werden. Wir freuen uns schon auf den Moment, wenn wir die Leinen loswerfen, Mallorca tschüss winken und mit Mauna Loa in die Freiheit segeln. Bald ist es soweit.