Debakel auf See - jetzt packt der Bruder aus

Geposted am 8 August, 2018 von Chris

Pleiten, Pech und Pannen. Überschrittene Feinstaubwerte, zerrissene Segel, Vaseline-Schläuche an Bord: Die Serie an Negativmeldungen über das Segel-Wrack "Mauna Loa" reisst nicht ab. Besonders im Visier stand zuletzt Co-Skip Christina V. Ausgerechnet ihr Bruder spricht nun Klartext.

"Wir hatten uns alle auf erholsame Segelferien gefreut", erzählt Felix V., der sich mit seiner gesamten Familie zu einer Überfahrt vom griechischen Patras nach Athen überreden liess; doch schon bei der Ankunft im Hafen wurde er stutzig. Die Besatzung sei denkbar schlecht vorbereitet gewesen: "Ich musste dem Kapitän helfen, einen Kochherd festzuschrauben!" (Anmerkung 1)
Das böse Erwachen dann in der Kajüte: "Das Fenster war gegen Norden", so der Geprellte und nimmt's mit Humor: "Das war aber nicht schlimm, weil es wie alle Fenster im unteren Bereich des Schiffes extrem klein war.“

Zu neunt eingepfercht auf engstem Raum sei den verdutzten Passagieren auf hoher See erklärt worden, sie hätten bei den Manövern auch anzupacken. "Wir kamen uns vor wie in einer Sardinenbüchse - nur dass Sardinen nicht arbeiten und die Büchse nicht schaukelt", beschreibt der 26-Jährige die allgemeine Stimmung. Einige Passagiere hätten sich während der Fahrt zeitweise an einem Seil ins Wasser gelassen, oder seien auf den Mast gestiegen und von dort ins Meer gesprungen um Distanz zu gewinnen. (Anmerkung 2)

Die Überfahrt verlief schleppend, oft im Schritttempo und nur zu Bürozeiten. Das ist typisch "Mauna Loa": "Da schwafeln sie die ganze Zeit seglerisches Fachvokabular und fahren dann trotzdem Zick-Zack, vor allem wenn der Wind endlich mal angenehm von vorne kommt", sagt Felix V., der weiss wovon er spricht. Während einer Woche sass er auf dem Kahn fest.

Vor Itea im Golf von Korinth spitzt sich die Lage zu. 6-7 Beaufort erwischen die Schönwetter-Crew auf dem falschen Fuss: "Es hat geschaukelt wie auf einem Liebherr 71-EC Oberdrehkran", so ein weiterer Passagier, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, "ich habe nach Kräften versucht die Situation auszusitzen.“ Kapitän und Co-Skip hingegen waren sich der Gefahr nicht bewusst: „Obwohl sich das Schiff ganz schön zur Seite neigte hatten sie eine Menge Spass und versuchten uns sogar glaubhaft zu machen, das sei ganz normal!“ Felix V. ergänzt: „Immerhin hat die Besatzung das Schiff gerade noch rechtzeitig vor dem drohenden Untergang an den Steg bringen können, damit wir Passagiere uns auf festen Boden retten konnten.“ (Anmerkung 3)

Wurden die Entbehrungen der Reisenden bis dahin von einer gewissen Segelromantik gelindert, kommt vor Korinth das wahre Debakel ans Licht. Das Schiff besitzt einen Motor! Dieser muss wohl geschickt unter dem Schiff angebracht worden sein. In der stillen Enge des Kanals von Korith habe er es gehört. "Es hat getuckert und gebröselt, es war definitiv ein Motor". Er fühle sich getäuscht, "da hätten wir ja gleich das Auto nehmen können oder Jetskis", so der hinters Licht Geführte. "Wäre erst noch schneller gewesen."


Wie man es dreht und wendet, die Sache war ein einziger Reinfall. Daran konnten auch die neugierigen, grossen Tümmler nichts ändern, die während Stunden um das Boot schwammen. Ebenso wenig die besten Wetterbedingungen und der ausgedehnte Badespass in einsamen Buchten: „Ein mit Chlorwasser gefüllter Swimming Pool wie auf jedem anständigen Kreuzfahrtschiff wäre eindeutig sicherer gewesen als diese Baderei im Freien!“, so der besorgte Vater der Familie. Sogar die vielgelobten Ruinen von Delphi waren den Besuch nicht wert: „Zu sehen gab es nur alte Steinhaufen.“ Das Tüpfelchen auf dem I war dann zum Abschluss die im Vorfeld hochgekochte totale Mondfinsternis. "Trotz bester Sichtverhältnisse war zum Höhepunkt um 23:30 Uhr immer noch eine grosse dunkelrot schimmernde Mondscheibe zu sehen", so Felix V. der glücklich ist wieder zu Hause zu sein und für seine nächsten Ferien bereits eine All-inklusive Kreuzfahrt in einer Superior Suite inkl. Buttler auf der Aida gebucht hat.

Ergänzung zum Text:
Vom 21.-28. Juli verbrachte Chris‘ ganze Familie eine Woche Ferien auf der Mauna Loa. Die Reise führte von Patras durch den Golf von Korinth, schliesslich durch den berühmten Kanal von Korinth und via einige Inseln im Saronischen Golf nach Athen. Entgegen den Erwähnungen im Text war es glücklicherweise eine sehr schöne Woche mit vielen zufriedenen Gesichtern und definitiv die besten Familienferien in den letzten zehn Jahren. Doch damit lässt sich kein mediales Sommerloch füllen, weshalb der aktuelle Artikel von Felix euch im Stil der Boulevard-Presse an unseren Erlebnissen teilhaben lässt.

Hier noch einige Anmerkungen:

1) Kochherd anschrauben: Anfang Juli hat sich unser bereits etwas in die Jahre gekommener, elektrischer Kochherd mit viel schwarzem Rauch und noch mehr Gestank in die ewigen Jagdgründe verabschiedet. Die Ersatzsuche in Griechenland erwies sich als ziemlich schwierig. Chris und Mätthu konnten daraufhin in der Schweiz einen neuen, passenden Herd organisieren, der von Felix mit der Fähre nach Patras transportiert wurde. Seither haben wir wieder warme Küche 24 Stunden am Tag!

2) Bei Flaute und vor allem wenn Delphine neugierig ums Boot schwammen, befestigten wir jeweils eine lange Leine hinten am Boot. Damit konnten alle die eine Abkühlung wünschten ein entspanntes Bad im Mittelmeer geniessen und Delphine gucken - während wir mit 2-3 Knoten dahindümpelten. In zwei Badebuchten liessen es sich gewisse Crewmitglieder nicht nehmen, die erste Saling (Querverstrebung am Mast) als Sprungbrett zu nutzen.

3) Am dritten Tag unserer Reise kamen wir mit 5 Bft achterlichem Wind zügig voran. Eine Stunde vor Itea nahm der Wind dann stetig zu und wurde immer böiger. Schliesslich verzeichneten wir gute 6 bis fast 7 Bft. Mit der gerefften Genua und zum Schluss unter Motor steuerten wir Itea an. Glücklicherweise hatten wir während des Anlegemanövers im Hafen für wenige Minuten ruhigere Bedingungen – kaum am Steg kachelte es anschliessend mit Böenspitzen von über 50 Knoten. Schäden am Schiff gabs keine, wohl aber an Dächern, Bäumen und Signalisationen in Itea. Eine Stunde später war der Spuk vorüber und wir genossen einen entspannten Abend auswärts.